Mastitis und kein Erreger nachweisbar!?

Tierärzte und Landwirte kennen dass Phänomen: man beprobt "hochzellige" oder "Flockenkühe" und das Labor kann keine Mastitiserreger nachweisen.
Die Frustration bei allen Beteiligten wächst, da das Ergebnis keinen Informationsgewinn darstellt. Wie kann es kommen, dass die Milch trotz erhöhten Zellgehaltes oder sinnfälliger Veränderung keine Erreger enthält?

Die Infektion der Milchdrüse mit Erregern wie Staphylococcus aureus, Galtstreptokokken, Streptococcus uberis und anderen ist die wichtigste Voraussetzung für das Auftreten von Mastitiden.
Je nach Herkunft und Übertragungsweg der Mastitiserreger gestaltet sich die Vorgehensweise zur Bekämpfung unterschiedlich. Am Anfang steht daher immer die Ermittlung des Infektions- und Erkrankungsstatus der Tiere durch die sterile Entnahme von Viertelanfangsgemelken und deren Untersuchung auf Mastitiserreger.

Was aber, wenn das Labor keine Erreger nachweisen kann?
Ursächlich können zwei verschiedene Sachverhalte sein:

1. Die Milch enthält Erreger, diese werden allerdings vom Labor nicht nachgewiesen.

2. Die Milch enthält tatsächlich keine Erreger.

1. Die Milch enthält Erreger, diese werden allerdings vom Labor nicht nachgewiesen:

a)
Wenngleich ein Tier deutliche Symptome einer Mastitis zeigt, können die verursachenden Keime in sehr geringer Zahl ausgeschieden werden. Ist die Konzentration des Keims für eine Anzüchtung im Labor zu niedrig bzw. wird der Keim bei der Überimpfung der Probe auf den Nährboden nicht "erwischt" (aus der meist 10 ml umfassenden Ausgangsprobe überimpft das Labor nur 10 µl auf einen Nährboden), bleibt ein Erregerwachstum aus.
Treten wiederholt erhöhte Zellgehalte ohne Erregernachweis auf, kann man dies als handschriftliche Information im Anschreiben an das Labor erwähnen. Bei Bedarf können Labore dann eine so genannte "Voranreicherung" durchführen, d. h. die Milchprobe wird zunächst in eine Nährbouillon überimpft und einen Tag lang bebrütet. Unter diesen Bedingungen können sich die in der Milch enthaltenen Erreger vermehren und die Nachweisbarkeit bei einer nachfolgenden Anzüchtung auf einem Nährboden steigt.
Neuere Studien haben gezeigt, dass die Erhöhung der im Labor verwendeten Probenmenge (z. B. von 10 µl auf 1 ml) die Nachweisbarkeit von Erregern ebenfalls verbessern kann. Das gleiche gilt für die Nutzung molekularbiologischer Methoden (beispielsweise Polymerase-Ketten-Reaktion/PCR), wobei allerdings aus Gründen der Kosten und des Aufwands bislang keine der beiden Methoden Einzug in die Routinediagnostik gehalten hat.
b)
Die Milchproben können auch seltene Erreger enthalten, die auf den zur Kultivierung üblicherweise verwendeten Nährböden nicht wachsen. Chlamydien, Mykoplasmen oder Listerien werden beispielsweise im Routinebetrieb nicht nachgewiesen. Bei Verdacht auf diese Erreger sollte dem Labor im Anschreiben ein Hinweis gegeben werden.
c)
Hefen, Schimmelpilze und Algen wachsen in der Regel langsamer, als bakterielle Mastitiserreger. Bei Verdacht sollte auch hier im Anschreiben ein spezieller Vermerk gemacht werden (z. B. "Hefeverdacht"). Das Labor wählt dann spezifische Nährböden aus, die ein schnelleres und eindeutigeres Wachstum ermöglichen und die bakterielle Begleitflora weitestgehend hemmen.
Bei Hefeverdacht kann zudem eine Beprobung des Endgemelks vorteilhaft sein, d. h. betroffene Tiere werden unmittelbar nach Melkzeugabnahme beprobt.
d)
Bei unsachgemäßer Probenentnahme bzw. Lagerung oder unsachgemäßen Transportbedingungen kann es auch zu einer Verunreinigung der Probe kommen.
Solche Proben stellen das Labor vor ein diagnostisches Problem: meistens sind so viele verschiedene Keime nachweisbar, dass es für das Labor aufgrund der Vielzahl der in der Probe vorhandenen Keime nicht möglich ist, den Keim ausfindig zu machen, der die Mastitis verursacht hat. In solchen Fällen wird die Probe als "kontaminiert" oder "verunreinigt" angegeben, bzw. es findet sich der Vermerk "unspezifischer Keimgehalt". Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass eine exakte Diagnose nicht möglich und wissenschaftlich auch nicht sinnvoll ist, da nur in den seltensten Fällen tatsächlich mehrere Erreger aus der Milch eines Euterviertels isolierbar sind.
e)
Viele Labore befüllen Ihre Probenröhrchen mit Konservierungsmittel. Bei Proben für den Nachweis von Mastitiserregern dient dieses Konservierungsmittel dazu, dass der bakteriologischen Zustand der Milch zum Zeitpunkt der Probenentnahme, für die Dauer von mindestens 24 Stunden erhalten wird. D. h. die in der Probe befindlichen Keime sollen sich weder übermäßig vermehren noch absterben. Sollen Proben dagegen nur auf den Zellgehalt untersucht werden, werden andere Konservierungsmittel - meist auf Säurebasis - verwendet. Diese Mittel verhindern den Verderb der Proben, hemmen also die enthaltenen Bakterien bzw. töten diese ab. Entsprechend eignen sich solche Röhrchen nicht zum Nachweis von Mastitiserregern.
 

2. Die Milch enthält tatsächlich keine Erreger

a)
Keime, wie beispielsweise Escherichia coli werden im Rahmen der körpereigenen Abwehrvorgänge der Kuh eliminiert. Bei ihrem Zerfall setzen sie allerdings Gifte/Toxine frei, die deutlich sichtbare Symptome, wie gestörtes Allgemeinbefinden, Fieber inklusive Festliegen verursachen. Bei Beprobung eines Tieres mit derartigen Symptomen ist häufig auch das Sekret massiv sinnfällig verändert. Die Milch ist wässrig und enthält Flocken, die nach kurzer Wartezeit im Probenröhrchen nach oben aufsteigen. Da die körpereigene Abwehr den Erreger allerdings bereits beseitigt hat, lassen sich Rückschlüsse auf den verursachenden Keim nur über die klinischen Symptome am Tier machen.
b)
Bei zu langen Probentransportzeiten oder unsachgemäßer Lagerung (z. B. ungekühlten Transportbedingungen im Sommer) kann es nicht nur zur Vermehrung, sondern auch zum spontanen Absterben der Mastitiserreger in der Probe kommen. Je schneller die Proben in das Labor gelangen, desto realistischer ist das Probenergebnis.
c)
Der Probenentnahme geht in der Regel die Desinfektion der Zitzenkuppe voraus. Nach der Desinfektion sollte kein Alkohol mehr am Strichkanaleingang sichtbar sein und der erste Milchstrahl sollte verworfen werden. Erfolgt dies nicht, so kann der Alkoholanteil bei geringen Probenvolumina ausreichen, die enthaltene Bakterienzahl zu minimieren.
d)
Wird ein behandeltes Tier noch vor Ablauf der Wartezeit beprobt, so reicht der Gehalt an Hemmstoffen in der Milch aus, die enthaltenen Erreger abzutöten bzw. derart zu hemmen, dass sie im Labor nicht angezüchtet werden können. Grundsätzlich sollten zwischen der Behandlung und einer erneuten Beprobung die Wartezeit und weitere 14 Tage als Karenz verstreichen.
Auch im Kolostrum können noch Hemmstoffe enthalten sein (entweder vom Trockensteller oder in Form von körpereigenen Hemmstoffen, wie Lysozym, Lactoferrin etc.). so dass eine Beprobung unmittelbar nach der Abkalbung nicht empfehlenswert ist.
e)
Sind Tiere mit Erregern wie Staphylococcus aureus infiziert, so wird dieser üblicherweise nicht kontinuierlich ausgeschieden. Der Erreger neigt dazu, sich im Eutergewebe abzukapseln und erst in Phasen geschwächter Abwehr erneut zur Ausscheidung zu kommen. Um die Erfolgsrate beim Nachweis dieses Erregers zu erhöhen, sollte die Probenentnahme 12 - 24 Stunden nach einem Stressereignis (Klauenpflege, Bestandsbehandlungen, Impfungen etc.) durchgeführt werden.
f)
Auch im Fall chronischer Mastitiden kann die körpereigene Abwehr den Erreger bereits eliminiert haben. Zurück bleiben Gewebsschädigungen und erhöhte Gehalte somatische Zellen in der Milch als Ausdruck bereits abgelaufener Abwehr- und Entzündungsvorgänge. Insbesondere bei Tieren, die bereits mehrere Monate (z. B. über drei oder mehr Termine der Milchleistungsprüfung hinweg) erhöhte Zellgehalte aufweisen, sinkt die Nachweisbarkeit von Mastitiserregern signifikant ab.
g)
Ist eine Mastitis nicht auf eine bakterielle Ursache zurückzuführen (z. B. Gewebsreizung durch Hitze, Säure etc. oder viral bedingte Erkrankungen) gelingt im Labor ebenfalls kein Erregernachweis im Rahmen der bakteriologischen Routinediagnostik.

Wie kann man also Abhilfe schaffen?

Grundsätzlich sollte bei der Probenentnahme darauf geachtet werden, dass das zu beprobende Tier ausreichend stimuliert und das Vorgemelk bereits separat abgemolken und kontrolliert wurde. Die Probenentnahme sollte so sauber wie möglich erfolgen (Handschuhe, 70%iger Alkohol zur Desinfektion der Zitzen usw.). Nur so sind wirklich nur solche Erreger zu erfassen, deren Zielort das Eutergewebe und die Milchgänge sind.
Viele Labore stellen geeignete, sterile Probenröhrchen zur Verfügung, die sich besonders für die Bedingungen bei der Milchprobenentnahme eignen und deren Nutzung in jedem Fall angeraten wird.

Die Zeitspanne zwischen Probenentnahme und Untersuchung im Labor ist so kurz wie möglich zu halten. Im Sommer empfiehlt sich die unmittelbare Kühlung der Proben nach der Entnahme.
Bei Hefemastitis erhöhen sich die Nachweischancen, wenn man das Endgemelk beprobt. Zudem sollte das Labor über den Verdacht informiert werden.
Auch bei anderen selteneren Mastitiserregern sollte der Verdacht geäußert werden. Bei seltenen Mastitiserregern empfiehlt sich ein Telefonat mit dem Labor, um abzuklären, ob entsprechende Erreger überhaupt untersucht werden und wie die Beprobung erfolgen soll.
Bei Staphylococcus aureus hingegen sollte der Probenentnahme ein Stressereignis (z. B. Klauenpflege, Weideumtrieb etc) vorausgehen. Die körpereigene Abwehr wird dadurch kurzfristig geschwächt und der Erreger kommt besser zur Ausscheidung.
 
Quelle:
Landwirtschaftskammer Niedersachsen
Dr. Friederike Reinecke
Tierärztin im Eutergesundheitsdienst
Telefon: 0441 801-641
Telefax: 0441 801-666